Montag, 20. August 2012

Köln

In Köln hatte ich Zeit, die Leute zu beobachten, die vor dem Kölner Dom und in den Einkaufsstraßen sowie auf der Brücke mit all den Schlössern ihre eigenen Wege gingen. Denn umgekehrt war das leider nicht der Fall. Ein krasser Unterschied zu Berlin - wer hätte gedacht, dass ich in der Hauptstadt so sehr wahrgenommen werde und in einer etwas kleineren Stadt wie Kölle nicht eines Blickes gewürdigt werde? Nichtsdestotrotz: All das hat mir mein beschwingtes Gefühl nicht genommen, meinen Spaß an der Musik und meine immer anhaltende Inspiration, die ich durch die Erlebnisse in den letzten Wochen erfahren habe, erst recht nicht.

Samstag, 18. August 2012

Berlin

Um ehrlich zu sein, hatte ich vor Berlin den meisten Respekt. Diese Stadt ist schon anders als andere Großstädte. Ich war schon zuvor einmal dort, doch dann ausschließlich in Berlin Mitte. Friedrichshain und Kreuzberg hingegen sind ganz andere Welten. Doch ich wagte mich, allen Gerüchten und Geschichten zum Trotz, dorthin. Zumal ich in Kreuzberg auch in der "Soma Bar" spielen sollte.
Voller Tatendrang und Aufregung ging ich zunächst zur Oberbaumbrücke in Friedrichshain. Nun kam auch zum ersten Mal mein kleiner Verstärker mit dem Mikrofon zum Einsatz. Es war ungewohnt, verstärkt auf der Straße zu spielen, war aber dort auch gar nicht anders möglich.
Ich wurde gehört, das merkte ich ganz schnell, denn schon bald bildete sich ein kleines Grüppchen um mich herum, das meiner Musik zuhörte. Sie ließen es unkommentiert und gingen weiter, aber immerhin wurde ich Motiv eines Urlaubs(?)fotos von einem der Zuhörer. Dann hielt ein Mann inne, der mir bei vielen meiner Cover zuhörte. An seinem Gesicht konnte ich nicht so richtig ablesen, was er wohl über meine Musik dachte. Dann spielte ich einen eigenen Song. Meinen einzigen deutschen - "Gedankenschloss". Als der letzte Ton verklungen war, applaudierte er mir. Wahrscheinlich hatte er nur auf etwas Eigenes von mir gewartet, denn dann verschwand er ganz schnell wieder.
Die Zeit verging wie im Flug, ich hatte geschlagene drei Stunden an der Oberbaumbrücke gespielt. Nach einer kleinen Pause und einem Stadtbummel peilte ich den Alexanderplatz an. Dort stellte ich mich an die Weltuhr und fand auch dort schnell Gehör. Nur einer hatte noch keinen Song von mir gehört und fragte gerade heraus nach einer CD. "Aber möchten Sie nicht erst einmal zuhören, ob meine Musik Ihnen auch gefällt?" - "Das weiß ich schon, ich kenne dich von YouTube und bin extra hergekommen." Wow! Natürlich bekam er sofort eine CD.
Der Alexanderplatz ist bekannt für wildes Treiben, Hektik und überall Attraktionen. So auch an diesem Tag.
Es waren zwei weitere Musiker mit Gitarre und Verstärker dort und neben mir fand plötzlich ein Tanz von einer Gruppe statt. So wechselte ich zum Platz am Fernsehturm und am Roten Rathaus. Viele Touristen sammelten sich am Brunnen und andere machten eine kleine Pause auf einer Bank. Die richtige Atmosphäre. Auch hier bildete sich ganz subtil ein kleiner Fanclub, der mir auch nach einer Weile für jeden Song Applaus spendete. Zwei davon sprachen mich auch noch an. "Deine Stimme erinnert mich unglaublich an Joni Mitchell!" - Diese Joni Mitchell scheint mich ja echt zu verfolgen. Dabei hatte ich zuvor nie ein Lied von ihr gehört. Aber ich nahm es freundlich lächelnd als Kompliment, sie für ihren Teil nahmen eine CD von mir. Dann gab es wohl einen der witzigsten Augenblicke meiner Straßentour: Mich sprachen zwei Typen an, die sich als YouTuber bei mir vorstellten und mich für meine Stimme lobten. Sie sagten, sie hätten Lust, ein Video mit mir aufzunehmen. Warum auch nicht? Ich ließ die beiden einfach mal machen. Entstanden ist daraus eine etwas paradoxe Darbietung von Johnny Cashs "Hurt" - aber seht selbst: (Link folgt).
Wahnsinn, wie sehr ein paar Dance Moves und abstruse Bewegungen die Aufmerksamkeit auf einen lenken können. Vielleicht sollte ich die Berlin Twins von nun an als Background-Tänzer einstellen. Einen großen Dank an dieser Stelle noch mal an BeGin und FinIsh!
Es wurde schon Abend und ich musste weiter zur "Soma Bar". Ein richtiger Auftritt in Berlin? Wie das wohl werden würde... "Beer colder than your ex-boyfriend's heart" - ein cooler Spruch, hier muss es gut sein. Um 22 Uhr kam ich aber in einer menschenleeren Bar an. So menschenleer war sie auch noch um 23 Uhr. Und auch um Mitternacht. Auch gegen 1 Uhr tat sich immer noch nichts. Bis ich dem Wirt schließlich anbot, mich mit meiner Gitarre einfach nach draußen zu setzen und damit Leute anzulocken. Oder zu verscheuchen, wie man's nimmt... Doch ersteres war der Fall. Schon bald war die Bar um eine Hand voll Gäste reicher und ich um ein paar aufmerksame und begeisterte Zuhörer. Der eine schien sein großes Vorbild in mir zu sehen, versuchte auch selbst etwas auf meiner Gitarre zum Besten zu geben, was aber nach ein paar Bier nicht mehr so recht funktionieren wollte. Zwei andere diskutierten darüber, welche Stimmlage denn nun die bessere für mich sei. Aber alle waren sich einig, dass sie mit meiner Musik Ruhe fanden und den "Abend" (sofern man ihn um die Uhrzeit noch so nennen kann) schön ausklingen lassen konnten. Dieses gemütliche Beisammensein war mir letztendlich auch viel lieber und ich hatte permanente Zuhörer, mit denen ich zusätzlich auch noch ganz unverkrampft quatschen konnte. Doch die Nacht sollte noch nicht enden...
Auf Empfehlung von einem guten Freund sollte ich nachts bei der S-Station Warschauer Straße vorbeischauen, dort würde jede Nacht ein sehr guter Gitarrist spielen. Ich war anfangs skeptisch, doch tatsächlich: Mitten auf der Brücke über den Gleisen, im sanften Licht der Straßenlaternen stand ein Mann mit einer E-Gitarre, der ganz versunken seine Riffs spielte. Aus einem Gespräch hörte ich einen Akzent heraus, den ich nicht verwechseln konnte - er war Ire! Ich liebe Irland, ich liebe irische Musik, ich liebe Iren. Auch ich kam mit ihm ins Gespräch und er war so aufgeschlossen und offen wie seine Musik. Ich stellte ihm Fragen zu seiner Person und er zu meiner. Und er sah auch meine Gitarre. Eigentlich hatte ich nicht mehr geplant, da zu spielen, aber ich konnte ihm seinen Wunsch einfach nicht ausschlagen. Zudem kam noch ein Film-und-Fernsehregiestudent dazu, der seine Bachelorarbeit über Straßenmusik schreiben möchte und mich dazu aufnahm. Ich spielte zuerst ein Cover und dann einen eigenen Song. "Focus on your originals. That's what represents you the best. And if you don't get the reaction you want, work harder on them." Weise Worte zu so später Stunde. Ich fühlte mich, als hätte ich jegliches Zeitgefühl verloren. Ein so inspirierendes Gespräch, das sich aus dieser spontanen Session ergab. Wir redeten sehr lange und als ich auch ihm von meiner Zukunftsplanung erzählte, sagte er nur: "Never be sure about your dreams. You'll always get back to music, you'll need it."
Berlin. So vielfältig die Stadt, so vielfältig die Erfahrungen, die ich dort machen durfte. Und so laut diese Stadt auch war, ich habe es tatsächlich geschafft, zu dem einen oder anderen vorzudringen, auch mit leisen Tönen. Das ist mehr, als ich mir hätte wünschen können.

Freitag, 17. August 2012

Stuttgart

Nun hatte ich eine etwas längere Reise vor mir. Während ich nach den Straßengigs in den anderen Städten abends meistens zurück nach Hause gefahren war, wollte ich Stuttgart, Berlin und Köln nun in einem Rutsch bereisen. Ich übernachtete in einer Jugendherberge und hatte ein Bett in einem Mehrbettzimmer gebucht. Eine gute Entscheidung, wie sich nachher herausstellte... Dort lernte ich Katharina kennen, mit der ich mich sehr lange unterhielt. Später kam auch die zweite Zimmerbewohnerin dazu, eine Koreanerin, deren Name ich nicht aussprechen konnte. Ich nenne sie jetzt einfach Luimchong, denn so ähnlich klang er. Nachdem sie zuerst kein Wort mit uns gewechselt hatte, öffnete sie sich dann, soweit es mit gebrochenem Englisch möglich war, völlig. Sie sei sehr von der deutschen Kultur und den Menschen begeistert. Auch schielte sie immer wieder zu meiner Gitarre und äußerte dann den bescheidenen Wunsch, dass ich doch ein Lied spielen sollte. Das ließ ich mir nicht zweimal sagen und so wurde dieser Abend zu einem unvergesslichen Ereignis. Zuerst hörten sie sehr aufmerksam zu, bis die Stille in einen euphorischen Applaus ausbrach. Sie konnten kaum genug von meiner Musik bekommen und überhäuften mich mit Komplimenten. Luimchong war von ihren Freundinnen getrennt worden, als es um die Zimmerverteilung in der Jugendherberge ging, was sie sehr traurig machte. Doch dann nahm sie ihr Handy heraus und zeichnete alles auf Video auf, mit den Worten: "Das ist der schönste Abend in Deutschland für mich und ich bin so froh, auf dieses Zimmer gekommen zu sein. Wenn meine Freundinnen das Video sehen, werden sie ganz neidisch sein." Beflügelt von dem Gefühl, das mir dieser Abend gab, spielte ich also am nächsten Tag in der Fußgängerzone Stuttgarts.
Als ich ungefähr zehn Minuten gespielt hatte, kam ein Mann auf mich zu und legte mir einen Zettel in meinen Koffer, auf dem stand: "Hallo Madame, Sie singen sehr schön. Hätten Sie später kurz Zeit, um allgemein über Musik zu reden?" Wie höflich, dass er mich nicht unterbrechen wollte, aber dieser Zettel ließ ihn doch etwas mysteriös erscheinen. Jedenfalls kam er später zurück und es ergab sich ein kurzes, aber doch interessantes Gespräch. Er sagte, er höre Joni Mitchell und Tina Dico in mir und wollte wissen, wie ich mir meine Zukunft vorstelle. Ich erklärte ihm, dass Musik immer mein Hobby bleiben wird, ich jedoch beruflich in eine andere Richting gehen werde.  "Ich glaube nicht, dass das möglich ist", entgegnete er mir, "zudem wäre das sehr schade." Er wünschte mir alles Gute und verabschiedete sich wieder.
Ein anderer Mann fragte mich nach nur einem Lied, das er von mir hörte, ob ich CDs dabei hätte. Er nahm mir dann sogar zwei ab und schenkte mir auch noch eine von einer anderen Straßenmusikerin. "Für die Heimfahrt."
Als ich dann mit meiner Gitarre durch die Straße schlenderte, kam mir ein Typ mit einer roten Nase entgegen und versuchte mich dazu zu bringen, für die Roten Nasen zu spenden. Dass ich aber nur eine arme Praktikantin bin, überzeugte ihn, bat mich aber dennoch, an ihrem Stand zu singen. So unterstützte ich sie zwar nicht finanziell, aber dafür musikalisch. Und die Roten Nasen wie auch potenzielle Unterstützer fanden sichtlich Gefallen daran. Doch leider konnte ich nicht lange bleiben, denn der Zug nach Berlin wartete schon auf mich...

Mittwoch, 15. August 2012

Bremen

Auf ging es nach Bräääyyym! Die bevorstehende Straßenbahnfahrt bereitete mir durch die Erfahrungen in Dresden eher Bauchschmerzen, doch dann wurde ich positiv überrascht: Die Angestellten in der Straßenbahn waren so nett, dass sie mir sogar zu zweit halfen, das günstigste Ticket für mich zu bekommen und mir Bescheid gaben, wann ich aussteigen musste. Auch hielten sie meine Gitarre, wobei das natürlich auch mit Hintergedanken passiert sein könnte...
Zuerst spielte ich in einer überdachten Passage, doch dieser wunderschöne Hall wurde von einem Ordnungsbeamten nicht begrüßt, sodass ich leider den Platz wechseln musste.
Als ich dann in der Fußgängerzone spielte, bildete sich neben mir wie in Hamburg ein kleiner Fanclub, der mir nach jedem Song Applaus spendete. Ein solcher entstand wohl auch ganz subtil und außerhalb meiner Sichtweite, denn als sich zwei junge Männer lächelnd vor mich stellten, erfuhr ich, dass sie mir schon die ganze Zeit vom Café aus zugehört hatten. Da hatten sie natürlich ein Wunschkonzert von mir verdient! Schön war zu beobachten, dass der eine mit dem Fuß mitwippte und über beide Ohren strahlte und der andere die Augen schloss und fast abzuheben schien. Beide nahmen noch eine CD von mir mit nach Hause und verabschiedeten sich sichtlich zufrieden.
Es war also auch wichtig, mal in die entfernten Cafés zu sehen, aber genauso auch mal einen Blick vor seine Füße zu werfen:
Vor mir war nämlich ein kleiner Junge, der seine Mütze abnahm und sich - als würde seine Körpergröße noch nicht ausreichen - niederkniete. Mit dem immer erstaunten Blick sah er zu mir auf und rührte sich nicht mehr von der Stelle. Als nächstes kam dann ein ganz kleines Kind mit süßer Haube und noch in Windeln zu mir und umarmte mich. Oder besser gesagt mein Bein, weil ich leider zu groß war. Wahnsinn, diese unbedingte Liebe, zu der Kinder fähig sind. Ihnen gefällt die Musik, also zeigen sie es auch und sind viel offener als Erwachsene. Als dann auch noch die größere Schwester dazukam, kniete ich mich schließlich zu ihnen und spielte nur für sie. Ihre Begeisterung ging so auf mich und auch auf alle anderen Leute über, dass sich plötzlich eine große Gruppe von Menschen um uns geschart hatte, nur um das Spektakel zu beobachten, wie sehr die Kinder bei der Musik aufgingen.
Vielleicht sollte ich Musik für Kinder machen. Vielleicht auch nicht... Vielleicht sollte ich einfach immer im Hinterkopf behalten, dass diese Menschen, die meine Musik hören, auch mal Kinder waren und nun eben eine andere, eine "erwachsene" Art und Weise entwickelt haben, Begeisterung zu zeigen. Dazu gibt's ein Zitat, das ich sehr passend finde, aber nicht mehr so ganz zusammenbekomme. Ich versuche es mit eigenen Worten: "Kinder haben ein offenes, weites Hirn, das mit dem Prozess des Erwachsenwerdens Stück für Stück zugenäht wird."

Montag, 13. August 2012

Essen

Wieder einmal war es nicht so leicht, sich den Weg nach Essen zu "bahnen", da so einige Bahnen auf sich warten ließen oder eben nicht auf Fahrgäste warteten, doch wir wollen ja nicht so rumspießen. Die Komplikationen waren es auch definitiv wert!
Marie war so freundlich, mich vom Bahnhof abzuholen und mich zum Kennedyplatz zu führen (danke!), an dem schon zwei andere auf mich warteten. Premiere! Zum ersten Mal auf meiner Straßentour erwarteten mich tatsächlich Menschen, die extra für mich in die Stadt gekommen waren. Es gibt einem doch ein anderes Gefühl, die Leute direkt anzuspielen, statt eine unbekannte Menge auf sich aufmerksam zu machen. Ich bekam so eine Gänsehaut, als ich sah, dass sie mit dem Fuß im Takt mitwippten oder leise mitsangen. Natürlich wollte ich sie nicht enttäuschen und gab mein Allerbestes, mit den Songs genau ihren Geschmack zu treffen.
Besonders schön fand ich, dass Michael seine eigene Gitarre mitgebracht hatte und einfach mit einstieg. Völlig ohne Absprachen klappte es einfach. Und schon bald bemerkte ich, dass ich es nur mit Musikern zu tun hatte: Als der Songwunsch "Rolling In The Deep" aufkam, half Mathis spontan aus:
Er spielte den Song auf meiner Gitarre und sang die zweite Stimme. Trotz mangelnder Textkenntnisse ergab sich daraus eine doch recht schöne Version. Leider musste er uns schnell wieder verlassen, doch dafür durfte er immerhin ein Plektrum von mir behalten.
Marie machte sehr schöne Fotos (und das bei so einem schlechten Motiv wie mir!) und hab immer wieder den Anstoß, nach den Songs zu applaudieren, was sie auch bis zum Ende durchzog - eine wunderbare Motivation! Ich war wohl so motiviert, dass es mir in der Sonne schnell zu warm wurde und so wechselten wir den Platz. Völlig in die Musik vertieft merkte ich nicht, was ich meinem Finger eigentlich antat. Als ich einen Blick auf meine Gitarre warf, sah ich, dass die Saiten rot waren... Doch Zeit für eine Pause war nicht! Ich glaube, so lange wie in Essen habe ich noch nie durchgespielt.
Ganz zum Schluss kam auch Christian vorbei, der erst nach Feierabend Zeit hatte, sich meinen Straßengig aber nicht entgehen lassen wollte.
Alles in allem waren es tolle Stunden in dieser Stadt mit sehr lieben Menschen. Ich bedanke mich noch einmal bei Marie, Michael, Mathis, Sascha und Christian, die mir diesen Tag zu einem unvergesslichen Ereignis gemacht haben. Und mein Finger ist wie schon so oft erwähnt nur ein Zeichen dafür, dass es ein sehr intensives und wunderschönes Erlebnis war!

Freitag, 10. August 2012

Hamburg

"Hamburg, meine Perle" - zwar war der Himmel grau und die Sonne ließ diese Stadt nicht wirklich glänzen, aber rund lief es trotzdem!
Glücklicherweise führte mich Josef als waschechter Hamburger... äh, Hamburger Student durch die Straßen und Straßenbahnen. So lernte ich am ersten Tag die ruhigere Seite der Stadt kennen. Wir gingen am Hafen "längs", wie die Hamburger zu sagen pflegen, und unterhielten dort ein kleineres Publikum. Die Schiffe dort schienen aber keine Manieren zu haben, so unterbrach mich direkt beim ersten Lied ein unverschämt lautes Schiffshorn, doch dadurch ließen wir uns nicht entmutigen. Passend dazu spielte ich auch "Bittersweet Symphony" und wir sangen als Duett "The bittersweet between my teeth", nur leider ohne Zimt.
Besonders ermutigend war, dass ein Personentransportfahrrad, so nenne ich das jetzt einfach mal, auf seiner Fahrt eine Pause bei uns einlegte und zu "Ironic" im Takt mitwippte. Der Fahrer stieg nach Genuss des Liedes sogar aus und ließ uns etwas von seinem eigenen Verdienst da. Am nächsten Tag stürzten wir uns dann ins Getümmel: Die Spitalerstraße, der Jungfernstieg und der Hauptbahnhof standen auf unserem Plan. Vor allem die Spitalerstraße bereitete mir unglaublich schöne Erlebnisse: Die meiste Zeit war ich im Spiel versunken, doch als ich einmal aufsah, bemerkte ich, dass an fast jeder Ecke der Straße Menschen angehalten waren und den Blick auf mich gerichtet hatten. Meinen ganzen Körper überkam eine Gänsehaut - ich hatte es noch nie geschafft, so viele Leute um mich zu scharen, wenn auch vereinzelt und mit Sicherheitsabstand. Immer wieder kamen dann einzelne von ihnen vor und warfen etwas in meinen Koffer.
Doch es wurde noch besser: Ich spielte neben einer Bank, auf der nach einer Zeit ein paar Mädchen Platz nahmen. Eine von ihnen hatte auch eine Gitarre bei sich, was vielleicht ihr Interesse erklärte. Aus Interesse wurde dann Begeisterung, als sie ganz unerwartet applaudierten und jubelten. Hey, ich hatte sogar einen kleinen Fanclub! Ich merkte, wie sie tuschelten und über mich redeten und als ich dann zu "The A-Team" anstimmte, brachen sie in schallendem Gelächter aus. Nicht, weil sie mich auslachten, sondern weil sie sich genau diesen Song wohl zuvor insgeheim gewünscht hatten. Tja, ich kann eben Gedanken lesen! Als ich dann auf sie zuging, fragten sie mich, ob man mich irgendwoher kennen müsse. Und so stellte sich heraus, dass sie mich tatsächlich schon einmal auf YouTube gesehen hatten, mein Gesicht aber nicht mehr zuordnen konnten. Faszinierend, wie der Zufall uns anscheinend so zusammenführte. Auf ihren Wunsch hin machte ich ihnen dann auch noch ein Kompliment und spielte "Ein Kompliment" für sie. Es war wunderschön, abschließend in fröhliche Gesichter zu sehen und so nahm auch ich nachdem sie gegangen waren meinen Koffer und diese Bilder mit und zog weiter.
Als wir dann beim Jungfernstieg spielten, trafen wir einen alten Bekannten wieder: Der Fahrer des Personentransportfahrrads, der nun keine Personen mehr sondern Essen transportierte, hielt wieder an um uns zuzuhören! Meine Vermutung, einen hungrigen Eindruck zu machen bestätigte sich wieder einmal und so kramte er zwei Becher mit Salat aus seinem Anhänger und stellte diese in den Koffer. "Etwas Essen kann doch nicht schaden!", rief er uns zu und entfernte sich wieder.
Der Hauptbahnhof war unsere letzte Station und dort stellte ich mich direkt in die Menschenmasse, die in das Gebäude strömte. Jeder, der in das Gebäude wollte, musste an mir vorbei. Gewagt, aber ich wollte es einmal ausprobiert haben. "Entweder entsteht hier gleich eine Menschentraube um dich herum oder alle ignorieren dich", prognostizierte Josef. Wie ich schon am eigenen Leibe erfahren habe, sind Bahnhofsgäste sehr hektische Leute, also trat zunächst doch Letzteres ein.
Erst beim dritten Lied ungefähr hörte ich jemanden "Supertalent!" rufen, der sich aber nicht zu erkennen gab. Aus dem Augenwinkel sah ich auch einen jungen Mann mit einer Gitarre, der sich Zeit für mich nahm. Irgendwann trafen sich mein Blick und der eines Passanten, der mich zunächst ausdruckslos musterte. Das Ergebnis seiner Analyse ließ er mich auch spüren, indem er heftig den Kopf schüttelte und "Nein, nein, nein" sagte. Zwar traf mich das, weil mir zuvor noch niemand seine Abneigung so deutlich gezeigt hatte, aber das darauf folgende Ereignis machte es wieder gut: Eine Frau fragte mich, ob ich CDs verkaufen würde. Und ihr habe ich die grandiose Idee zu verdanken, dies fortan zu tun. Ich werde also künftig immer ein paar Exemplare meines Albums "Bleeding Fingers", auf dem sich neun meiner eigenen Songs befinden, dabei haben.
Das Schöne dabei ist, dass ich die Menschen, die meine Musik auf der Straße hören, nicht nur in diesem Moment ein Stück auf ihrem Weg begleiten darf, sondern dies auch über diese Zeit hinaus anhalten kann.
Ein großer Dank für diese wunderschönen zwei Tage geht an dieser Stelle auch noch mal an Josef, der sie in Form von Fotos und Videos festgehalten, mir ein Dach über den Kopf gegeben und meine Zeit verschönert hat!

Mittwoch, 8. August 2012

Aurich

Es war eine schöne Abwechslung, auch mal mit dem Auto zu einem Straßengig zu fahren. So gab es zumindest keine verspäteten Züge. Meine Familie begleitete mich und ich merkte auf der Hinfahrt sofort, dass wir mehr gemeinsam haben als mir lieb war: Es wurde vollstes Vertrauen in das Navigationssystem gesetzt, weil die eigene Orientierung natürlich zu wünschen übrig lässt und so kamen wir im falschen Aurich (bei Oldendorf) an, in dem mehr Kühe als Menschen leben. Nachdem wir aber doch noch erfolgreich in der richtigen Stadt angekommen waren, spielte ich also für die Ostfriesen in der Fußgängerzone. Vielleicht war dort nicht der Bär los, aber Zuspruch gab es dennoch mehr als erwartet.
Wieder hatte ich die Herzen zweier Kinder erobert, die sich zu mir gesellten und dafür sogar ihr Eis schmelzen ließen. So aufmerksam und so lange hat mir auf meiner Straßentour bisher wohl noch niemand zugehört. Aber nicht nur diese zarten Geschöpfe fanden Gefallen an meiner Musik, sogar ein bärtiger, langhaariger Mann im "Iron Maiden" T-Shirt machte mit seinem Bonanzarad halt an meinem Koffer. Obwohl ich eigentlich von Luft, Liebe und Musik lebe, schien ich wohl hungrig auszusehen, also legte er behutsam eine Tüte in meinen Koffer, in der ich später ein leckeres Quarkbällchen fand. Mit einem Daumen nach oben und "Viel Erfolg weiterhin!" verabschiedete er sich wieder von mir. Als ich dann eine Pause einlegte um meine Beute zu verzehren, folgte mir eines der kleinen Mädchen und sah auch noch beim Essen mit ihren großen Kulleraugen zu mir auf. Juhu, ein Groupie!
Nach einer Weile tippte mir eine Frau auf die Schulter und sprach mir ein großes Lob aus, ihr habe mein Gesang sehr gefallen und sie drückte mir, obwohl der Koffer schon zu war, noch eine Münze in die Hand.
Ich muss abschließend wieder Clueso zitieren, weil seine Texte einfach unglaublich treffend sind für das, was ich erlebe: "Selbst eine kleine Geste spielt Melodien wie eine ganze Band."

Dienstag, 7. August 2012

Dresden

Geschlagene acht Stunden Zugfahrt lagen hinter mir. Ich hoffte sehr, dass sie es wert sein würden.
In Dresden angekommen, stand ich also in diesem riesigen Bahnhof. So, wie komme ich jetzt zur Frauenkirche? Vor diesem Gebäude lief eine Frau in Uniform herum, sie sah wichtig aus, also musste sie wissen, welche Straßenbahn ich zu nehmen hatte. Ich nahm dann die mir zugewiesene Linie - durch ihr dienstliches Genuschel habe ich nur leider den Namen des Ortes nicht verstanden, an dem ich aussteigen sollte. "Schmlschler Platz", gut, so viele Plätze wird es hier wohl nicht geben. Doch dann hatte ich plötzlich die Auswahl zwischen vier verschiedenen, das konnte ja heiter werden! Auf gut Glück stieg ich also aus und wurde dann von einem älteren Herren gewahr, dass ich in die falsche Richtung gefahren bin. So eine Linie hat zwei Richtungen... Meine Güte, wenn der Bauer in die Stadt kommt! Die Fahrt brachte noch so einige Irrungen und Wirrungen mit sich, die ich aber nicht weiter ausführen möchte, weil der Bericht sonst einerseits zu lang werden würde und man andererseits vielleicht an meinem erst kürzlich erworbenen Abitur zweifeln könnte.
Ich hatte gerade meine Position vor der Frauenkirche eingenommen, als ich von einer lebenden Statue herangewinkt wurde. Sie... äh, er... also es gab mir den Hinweis, besser woanders zu spielen. Eigentlich eine Ehre, dass diese Statue für mich aus ihrer Starre erwacht ist, etwas enttäuschend war es aber schon, dort nicht spielen zu dürfen. So stellte ich mich mittig auf den Platz. Dort gestaltete es sich mehr als schwierig, gehört zu werden: Baulärm und diese Größe des Platzes machten es mir unmöglich, ihn allein mit meiner Gitarre und meinem zarten Stimmchen zu beschallen. Mir schien auch niemand so richtig zuhören zu wollen, wurde, wenn überhaupt, auf weitem Abstand eher skeptisch betrachtet. Musste ich mich denn auch erst gold ansprühen und in eine Starre fallen, bevor ich beachtet werde? Nach unglaublicher Beanspruchung meiner Stimme, 30 Cent in meinem Koffer und einem Mann, der mir zu verstehen gab, ich solle noch lauter singen, gab ich es auf.
Ich suchte nach einer Fußgängerzone, um dort zu spielen, doch auch da verließ mich irgendwann der Mut. Also entschied ich mich, den Heimweg anzutreten. Auch auf der Rückfahrt durch die Stadt mangelte es nicht an Komplikationen, sodass ich durch erneutes Fahren in die falsche Richtung auch noch meinen Zug verpasste. Drei Stunden Wartezeit auf den nächsten gaben mir immerhin die Möglichkeit, in Ruhe etwas zu essen und zu lesen. Natürlich hätte ich auch eine wunderschöne Stadtrundfahrt mit der Straßenbahn machen können, darin war ich schließlich schon Experte: Durch meine ganz spezielle Taktik sah man eine Menge von dieser interessanten Stadt. Dich ich hatte das Gefühl, meine Tagesdosis an Stadtbesichtigungen bereits erreicht zu haben.
Und die Moral von der Geschicht? 'Nimm keine Straßenbahn in die falsche Richtung nicht'? Oder doch lieber: 'Jenny ist nicht ganz dicht'?
Nun ja, es muss auch solche Tage geben und sie werten die schönen Erlebnisse nur noch mehr auf. Und man kommt doch schnell zu der Erkenntnis, dass man gar nicht so weit weg fahren muss, um schöne Erfahrungen als Straßenmusiker zu machen - manchmal liegt das Glück eben direkt vor der Nase.

Montag, 6. August 2012

Bochum

"Es sind nicht die Momente, in denen du atmest, sondern die, die dir den Atem rauben."
Rückblickend müsste ich demnach eigentlich schon längst in Ohnmacht gefallen sein, denn dieser Tag war voll von ihnen.
Ich ging also völlig orientierungslos und nichtsahnend in die Stadt hinein und suchte nach einem geeigneten Ort zum Musik machen. Spontan geriet ich in eine Art Umfrage eines bekannten Duschgelherstellers, bei der ich verschiedene Düfte testen und bewerten durfte. Zwar waren die Düfte nicht das Atemberaubende an diesem Tag, aber immerhin bekam ich ein Duschgel geschenkt. Auch was Schönes.
Das Bermuda3eck in Bochum hat wohl nicht umsonst seinen Namen, ich fühlte mich nämlich ziemlich verloren. Zu dem Zeitpunkt wusste ich auch gar nicht, ob ich mich im besagten befand oder doch an einem anderen Ort, aber ich spielte einfach drauf los. Als ich so vor mich hin klampfte, war es wieder ein Kind, welches zu meinem ersten Fan wurde. Auch eine ältere Damen im Rollstuhl schenkte mir ihr schönstes Lächeln und fand sichtlich Gefallen an meiner Musik. Irgendwann stand ein bärtiger Typ mit Brille vor mir, hielt inne, setzte erst zum Reden an, verwarf das aber wieder und setzte sich stattdessen hinter mich um mir zuzuhören. Das Schönste war, dass er mich nicht von YouTube kannte, sondern sich einfach so die Zeit für mich nahm. Matthias ist selbst Musiker, wie ich dann erfuhr, und was dann passierte, war nur noch Wahnsinn. Nachdem wir zusammen eine leckere Pizza gegessen hatten, spielte er einen seiner Songs für mich und mir war sofort klar: Ich bin auf einen Vollprofi gestoßen, ein Singer/Songwriter der Extraklasse. Und genauso ging es weiter, wir besuchten seinen Kumpel Max, der eine traumhafte "Musikhöhle" bei sich zu Hause hat, übervoll mit Instrumenten.
Als Duo waren die beiden unschlagbar, aber auch zu dritt starteten wir eine kleine Jamsession, was mir eine große Ehre war. Wildfremde Menschen treffen aufeinander und finden zusammen in der Musik. Übereinstimmung, Akzeptanz, Bereitschaft, Offenheit, musikalische Empathie. Und das alles ohne Worte. Aber auch menschlich merkte ich, dass Musiker oft die gleichen Gedanken teilen.
Schweren Herzens verließ ich diesen Ort der Leichtigkeit wieder, doch sie blieb. Am Bahnhof trafen wir einen Mann mit einer Gitarre. Sein Repertoire? Zwei Akkorde, progressiv gespielt auf verstimmten Saiten. Für Matthias kein Hindernis! Kurzerhand wurde meine Gitarre auch verstimmt und schon wurde mitgespielt. Zuvor hatte ich gesagt, ich würde gerne etwas von diesem Tag mitnehmen. Nach dieser kurzen Improvisation von Matthias stellte sich heraus, dass es mehr als ein Foto oder ein Video sein würde -  auf meiner Gitarre waren Blutspritzer. So nahm ich also Überreste einer Leidenschaft mit nach Hause. Einer geteilten Leidenschaft.
Ich hätte nicht gedacht, dass diese Straßentour all das für mich bereit halten würde. Und ich bin froh, dass diese Menschen, die ich ohne sie wahrscheinlich nie getroffen hätte, einen Teil meines Weges mit mir gehen.
Ich habe mit einem Zitat begonnen und möchte nun auch mit einem enden:
"Der eine kommt, der andere geht. Passagiere sind nur Besucher. Vielleicht kommst du ja vom anderen Kontinent. Mach's gut, egal wohin du gehst. Mach's gut, egal wohin es dich auch trägt." (Clueso)


Mittwoch, 1. August 2012

Zeitungsartikel in den Westfälischen Nachrichten

Von Claus Röttig

Münster. Kurze Hose, blonde Haare und Turnschuhe: auf den ersten Blick ist Jennifer Berning eine ganz normale 18-jährige. Doch die frisch gebackene Abiturientin hat ganz andere Ambitionen. Mit dem Gitarrenkoffer macht sie eine "Straßentour". In 15 Städten will die Gitarrenspielerin Station machen, um als Straßenmusikerin zu spielen. Auf der Internetplattform "YouTube" hat es Berning schon zu einer gewissen Berühmtheit gebracht: "Du singst anders als andere: Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich Deine Songs höre", hat einer der Fans gepostet.
Auch die Münsteraner auf der Salzstraße oder an der Stubengasse konnten sich von den Qualitäten überzeugen: Tief in sich versunken singt die 18-jährige inbrünstig, covert Clueso und Co..
"Ich spiele seit 2007 Gitarre und habe 2009 ein Video aufgenommen", gibt sich die Musikerin bescheiden. Das sei dann zusammen mit einigen anderen eben im Internet gepostet worden. "Da haben die Leute dann drauf reagiert." Doch eine Sache stört den Teen. "Ich hatte nie Gesichter zu den Kommentaren: Und das wollte ich ändern." Es wäre einfach spannend, die Menschen einmal persönlich kennenzulernen. Also hat sie sich kurzerhand dazu entschieden, gleich 15 Städte in den Ferien anzufahren. "Ich habe per Facebook dann geschaut, welche Städte sich lohnen und wo ich Fans habe." Also geht es nach Stuttgart und Hannover, Hamburg und Berlin. "Ich weiß aber beispielsweise in Berlin noch nicht so genau, wo ich unterkommen soll - das ist in Braunschweig schon einfacher." Immer wieder bleiben Menschen stehen, hören eine Weile zu, während Berning in ihre Musik versunken ist. "Ich habe ein Repertoire von über 20 Stücken, die ich dann auswendig spiele." Und wenn an einer Stelle die Leute genug haben, wandert sie eben weiter. Kann man denn mit der Straßenmusik Geld verdienen? "Das kommt auf die Stadt, auf das Wetter und die Leute an", so Berning bescheiden. Doch dieses Mal läuft es gut: Reichlich 20-Cent- oder Ein-Euro-Stücke landen im Koffer, ein Fan hat sogar einen 5-Euro-Schein springen lassen. "Es reicht aber sicher nicht, um davon zu leben: aber ich kann so immerhin meine Fahrkarten finanzieren." Denn die Abiturientin, die gerade ein Praktikum im Theaterpädagogischen Bereich macht, fährt mit der Bahn bei ihrer Tournee.
Ambitionen, später einmal Berufsmusikerin zu werden, hat Berning trotz ihrer Straßenmusik aber nicht. "Musik ist und soll ein Hobby bleiben: ich hätte sonst nichts, was für mich ein Ausgleich wäre."
Ein kleines Kind steht vor Berning, tanzt zu der Musik. "Es ist schon ein bisschen komisch, wenn die Leute einfach so gucken - da würde ich dann schon mal gerne Gedanken lesen können." Aber genau das mache auch den Reiz am Straßenmusiker aus: "Ich kann einfach auf die Leute zugehen und zeigen, was ich kann."